Dienstag, 17. Juni 2014
100 Jahre Katharsis... oder doch nur ein anderer Raum zur Abgrenzung
1914 in München. Die Münchner Kammerspiele die damals noch Lustspielhaus hießen, war der Ort für die Elite der Gesellschaft. Dort eine Karte zu besitzen erforderte entweder eine menge Geld oder eine menge Einfluss. Dieser Zustand hat sich, wie wir heute wissen, geändert. Der Schüler kann für erschwingliche 8 bis 10 Euro sich eine Eintrittskarte kaufen. Nur macht das keiner! Das Theater ist so schlecht besucht wie noch nie. Aber das soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Die Intention die hinter diesem Beitrag steckt, ist die Begebenheit von der Weltmeisterschaft in Brasilien 2014. Die Ähnlichkeit zwischen einem Stadion und einer Theaterbühne ist nicht zu leugnen. Beide leben von ihrer Liveness. Es soll sich auch nicht um die Fußballspieler in diesem Beitrag handeln, sondern eher vielmehr um die Zuschauer. Wir haben hier scheinbar zwei unterschiedliche Gesellschaftsgruppen, einmal die Fußballfans mit ihrem Fan Kult und die Abonnementen eines Theater mit ihrem literarischem Wissen. Es gibt natürlich auch noch Menschen die nur aus Spaß ins Stadion oder Theater gehen, ohne eine klare Motivation zu haben, wie z.B. sich kulturell Weiterzubilden im Theater. Aber um sich nicht in Kleinigkeiten zu verheddern, geh ich nur auf die beiden Extreme ein und nehme sie als Beispiel.

Die Theatersäle sind leer, die Stadien und vor allem die neu errichteten Stadien in Brasilien sind bis oben hin gefüllt. Woran das liegen mag kann viele Gründe haben. Aber eins wird klar, in ein Stadion zu kommen während einer Fußballweltmeisterschaft ist ähnlich schwierig wie 1914 eine Inszenierung in den Münchner Kammerspiele zu sehen. Somit sind wir auch bei dem Kern dieses Beitrages. Wir haben hier eine Verschiebung von Ort und Interesse. Ich will hier keineswegs sagen, das jetzt Theaterabonnementen ins Stadion gehen. Es ist vielmehr die Frage nach dem Zuschauer im Stadion der einen übertriebenen Preis gezahlt hat für sein Ticket. Wenn solche Länder spielen wie Bosnien-Herzegowina und die Stadionränge sind gefüllt mit Bosnien-Herzegowina Fans, dann stellen mir sich so einige Fragen. Woher haben die das Geld für den Flug? Für das Stadionticket? Für das Hotel und den Sex mit einer brasilianischen Prostituierten?

Die Klärung der Frage warum die Theatersäle leer sind und die Stadien voll, ist die folgende. Die Katharsis ist viel größer im Stadion wenn die Mannschaft, die die Heimat vertritt, gewinnt, als die Katharsis die man im Theater erfährt bei einem klassischen Shakespearestück. Doch was geschieht wenn die Mannschaft aus der Heimat verliert? Im Theater erfahren alle die gleiche Katharsis. Es könnte also sein, dass das Risiko zu verlieren die Sache interessant macht. Das Spiel mit dem Feuer. Wir brauchen mehr Katharsis im Theater. Aber nicht auf animalisch Triebe runterreduzierte Katharsis, sondern vielmehr eine individuelle Katharsis. Der eine braucht Liebe und Zuneigung, der andere Selbstverwirklichung. Egal was, Theater braucht mehr Flexibilität in Sache von Räumlichkeit (weg von der Guckkastenbühne) und in der in Szenesetzung der Schauspieler.

Zu bemerken ist unbedingt das es sich hier nur um ein Gedankenexperiment handelt. Es gibt natürlich noch viel mehr Aspekte warum ein Stadion voll ist und ein Theater leer. Man nehme die Postdramatik als Beispiel, warum viele ältere Leute die Theateraufführung vorzeitig verlassen. Und es gibt noch viel mehr Gründe! Aber was ich hier sagen und erreichen will mit diesem Beitrag ist, das man sich die Frage stellt was die Menschen umtreibt nicht mehr ins Theater zu gehen und eher ins Stadion und Unmengen von Geld ausgibt, was einer bösartigen Institution zu gute kommt namens FIFA. Warum holen wir nicht die Weltmeisterschaft der Schauspieler auf die Bühne? Und jedes 4. Jahr wird es in einem anderen Theater stattfinden?

... link (0 Kommentare)   ... comment